Man sieht es immer häufiger: Kinder vor der Kamera, die auf den Social-Media-Plattformen als erfolgreiche Influencer agieren – ein Thema, das kontrovers diskutiert wird. Doch was steckt hinter dem Phänomen der Kinder-Influencer*? Welche Aspekte gibt es zu berücksichtigen?
*Da wir die Kinder schützen möchten und Kinder-Influencer nicht unterstützen, verzichten wir in diesem Artikel auf Verlinkungen. Die Namen der Kinder wurden von uns redaktionell geändert.
Inhalt
- Was steckt hinter dem Phänomen Kinder-Influencer?
- Welche Arten von Kinder-Influencern gibt es?
- Welche Risiken bestehen für die Kinder?
- Wie ist die rechtliche Lage?
- Fazit
1. Was steckt hinter dem Phänomen Kinder-Influencer?
Wenn Kinder YouTube-Videos oder andere Posts ihrer erwachsenen Influencer-Idole konsumieren, ist das eine Sache. Meist dienen diese Formate der Unterhaltung mit dem Zweck Produkte für die Kinder-Zielgruppe anzupreisen und das Verlangen nach diesen zu steigern. Doch wenn Kinder vom Konsumenten zum Produzenten werden, ändert sich die Sachlage. In den letzten Jahren waren die Sozialen Netzwerke enorm auf dem Vormarsch. Kein Wunder, dass auch diese Entwicklung an unseren Jüngsten nicht spurlos vorüberging. Als einer der ersten Kinder-Influencer trat 2015 der damals erst vierjährige Ravi in Erscheinung. Auf seinem YouTube-Kanal präsentierte er täglich ein neues Spielzeug, testete und bewertete es. Mit zunehmender Abonnentenzahl erweiterte sich auch sein Portfolio. Ravis Eltern lizensierten Spielzeug in seinem Namen und vermarkteten dies zusätzlich in seinen Videos. Während im Jahr 2020 sein Nettovermögen 30 Millionen US-Dollar betrug und ihm laut Forbes den ersten Platz der bestverdienenden YouTuber bescherte, wird sein aktuelles Vermögen Mitte 2022 auf rund 100 Millionen US-Dollar geschätzt. Begünstigt wurde dieser Anstieg ebenfalls durch die Produktion und Ausstrahlung seiner eigenen Kinder-Fernsehserie.
Ungefähr zeitgleich mit Ravi begann auch in Deutschland Maria im zarten Alter von vier Jahren Videos auf YouTube zu veröffentlichen. Marias Content war so erfolgreich, dass sich ihre gesamte Familie am Projekt YouTube-Kanal beteiligte. Die Inhalte bewegen sich rund um Spielzeuge, Freizeitaktivitäten und Familienalltag. Ebenso wie Ravi schaffte es auch Maria in die Top 10 der erfolgreichsten YouTuber. Wie die Beispiele von Ravi und Maria zeigen, generieren Kinder-Influencer enorme Summen Umsatz. Nicht jeder der aktiven Kinder-Influencer ist so erfolgreich wie unsere Beispiele. Allerdings wird auch von kleineren Accounts versucht „auf den Zug aufzuspringen“. Das Phänomen der Kinder-Influencer lässt sich einfach beschreiben: Kinder vermarkten Produkte an Gleichaltrige. Dadurch, dass Kinder Empfehlungen von Kindern erhalten, entsteht eine emotionale Bindung an die Influencer und ein gewisses Maß an Vertrautheit. Zu vergleichen wäre dies mit der Empfehlung von Spielzeug und Produkten auf dem Spielplatz. Der Unterschied liegt lediglich darin, dass der Kontakt in Form von Videos auf den verschiedenen Plattformen stattfindet.
2. Welche Arten von Kinder-Influencer gibt es?
Eines vorweg: Kinder-Influencer ist nicht gleich Kinder-Influencer. Unterschieden werden muss vor allem zwischen Kindern, die aktiv aus freiem Willen vor die Kamera treten und denjenigen, die von ihren Eltern inszeniert werden. In unserem Artikel über Momfluencer hatten wir bereits die Content-Produktion rund um Familienalltag und Kinder thematisiert. Nicht selten entwickeln sich aus den Kindern, die zuvor nur Teil des Mom-Contents waren, eigene erfolgreiche Accounts. Oftmals inszenieren Eltern ihre Kinder professionell aufgehübscht und perfekt beleuchtet. Insbesondere tritt dies auf Instagram in Erscheinung. Die Liebsten werden wie Erwachsene in Szene gesetzt und bewerben Kinderkleidung, Kosmetik oder Luxusartikel. Während ein Teil der Online-Community diese Form der Präsentation als ‚niedlich‘ ansieht und sich an den Posts erfreut, lehnt der andere Teil dies ab. Auffällig ist, dass es sich bei solchen ‚süßen‘ Posts in den meisten Fällen um Kinder im Kleinkindalter handelt. Demgegenüber stehen die Kinder-Influencer, die selbst den Wunsch verspüren vor die Kamera zu treten und ihren Idolen nachzueifern. Für Eltern bedeutet diese Entscheidung der Kinder oftmals eine emotionale Zwickmühle. Einerseits möchte man sein Kind fördern, ohne ihm Steine in den Weg zu legen, andererseits sind nicht alle Eltern erfreut über den Berufswunsch Influencer und lehnen die mediale Präsentation der Liebsten ab. Welche rechtlichen Besonderheiten es zu beachten gibt, erfahrt ihr unter Punkt 4.
3. Welche Risiken bestehen für die Kinder?
Wo Sonne ist, ist auch Schatten. Trotz der positiven Aspekte -wie die hohe Umsatzgewinnung- existieren auch negative Seiten. Allen voran steht das mögliche verbale und physische Mobbing unter Kindern. Ob im Kindergarten, in der Schule oder auch in der Freizeit – sie werden nicht selten von anderen Kindern für ihre mediale Präsenz schikaniert. Auch in Form von negativ kritischen Kommentaren unter den jeweiligen Beiträgen werden die Kinder-Influencer mit der Realität außerhalb der geschönten Influencer-Welt konfrontiert. Dies kann sich schnell negativ auf die Psyche des Kindes auswirken und bis in das Erwachsenenalter anhalten. Ein sehr häufig vorgebrachtes Argument in der Diskussion über Kinder-Influencer ist der Perfektionsdruck durch die Eltern in Kombination mit der fehlenden Freizeit. Sie scheinen rund um die Uhr gefilmt zu werden und stets perfekt zurechtgemacht zu sein. Doch weitaus gravierender ist die oftmals unterschätzte Sexualisierung der Kinder im Netz. Um die neueste Bademode zu präsentieren, werden die sechsjährige Laura sowie die neunjährige Mia von ihren Eltern wie erwachsene Models leichtbekleidet fotografiert und vermarktet. Fotos, die für immer im Netz bleiben. Ihre Influencer-Accounts sind öffentlich zugänglich und ermöglichen somit auch Personen Zugang und Einblicke, die nicht aufgrund der Werbung das Profil besuchen. Viele Eltern sind sich den Gefahren nicht vollumfänglich bewusst oder ignorieren diese gekonnt, denn für das Projekt Kinder-Influencer wird auch das Überschreiten von Grenzen billigend in Kauf genommen.
4. Wie ist die rechtliche Lage?
Eltern, die ihre Sprösslinge filmen und online öffentlich präsentieren verletzen deren Privat-und Intimsphäre. Laut Art. 1 und 2 des Grundgesetzes besitzt jeder Mensch das Allgemeine Persönlichkeitsrecht und damit verbunden auch das Recht auf Selbstdarstellung. Hier zeigt sich schon der erste Haken, denn Kinder müssen von den Eltern geschützt werden und wissen bis zu einem bestimmten Alter noch nicht, was ihre Persönlichkeit ist und wie sie sich präsentieren wollen. Vor allem im Hinblick auf Kinder-Influencer im Kleinkindalter zeigt sich, dass ihr Schutz auf den Social-Media-Plattformen vernachlässigt wird. Was vielen nicht bewusst ist: Der Verlust der eigenen Privatsphäre im frühen Alter wirkt sich auf die Zukunft des Kindes aus. Wenn mit dem Social-Media-Kanal der Kinder Einnahmen generiert werden, ändert sich die Rechtslage. Es ist dann keine Freizeitbeschäftigung mehr, sondern dient wirtschaftlichen Zwecken und die Kinder-Influencer verrichten Kinderarbeit, welche verboten ist. Unter 15 Jahren darf laut JArbSchG keiner Beschäftigung nachgegangen werden. Unter bestimmten Voraussetzungen ist es unseren Jüngsten allerdings erlaubt vor der Kamera zu arbeiten:
Leider greift das JArbSchG nicht im Alter von null bis drei Jahren. Folglich liegt es an den Eltern auf den Schutz ihrer Nachkommen zu achten sowie am Gesetzgeber die Lücke zu schließen.
Ein Blick auf Frankreich zeigt, wie eine Überarbeitung des Gesetzes aussehen könnte. Dort wurde bereits 2020 ein Gesetzesentwurf verabschiedet, der besagt, dass die Einnahmen der Kinder-Influencer auf ein spezielles Konto eingezahlt werden müssen. Erst ab dem 16. Geburtstag haben die Kinder Zugriff darauf. Des Weiteren wurde das Recht auf Vergessenwerden eingeführt. Dadurch ist es möglich Inhalte auf Wunsch des Kindes von den Plattformen löschen zu lassen. Informationen zur rechtlichen Lage findest du im Video oder hier.
5. Fazit
Kinder-Influencer sind enorm erfolgreich und generieren Millionen-Umsätze, weshalb sie für Advertiser wie auch für ihre Eltern ein interessantes Marketingmodell darstellen. Dennoch birgt die Online-Präsenz Risiken, die mitunter Auswirkungen bis in das Erwachsenenalter nach sich ziehen können. Rechtlich gesehen finden sich für ambitionierte Influencer-Eltern Schlupflöcher, die juristisch noch geschlossen werden müssen. Kinder sind schützenswert. Sie müssen vom Gesetzgeber und insbesondere von den eigenen Eltern beschützt werden.