Trendbarometer USA: Gerade in der politischen Kommunikation blicken deutsche Parteien und Campaigner seit Jahren gebannt auf die Kampagnentrends und „Rising Stars“ in den USA. Besonders Präsidentschaftswahlen und die damit verbundenen Vorausscheidungen der Parteien dienen dabei als Kompass, wie sich die politische Kommunikation hierzulande in den kommenden Jahren entwickeln könnte. Ein vollumfänglicher Blick auf die Trends in der politischen Kommunikation ist im Rahmen dieses Artikels nicht möglich. Vielmehr handelt es sich um eine kurze, subjektive Skizzierung, ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Inhalt
- Die Wahl vor der Wahl mit einem klaren (medialen) Sieger
- Politiker als Influencer
- Mobilisierung mit Micro- und Nanoinfluencern
1. Die Wahl vor der Wahl mit einem klaren (medialen) Sieger
Das Jahr 2020 war vor allem durch die Präsidentschaftswahl zwischen dem Demokraten und Herausforderer, Joe Biden, und Amtsinhaber, Donald Trump, geprägt. Während die Nominierung von Donald Trump als Kandidat der Republikaner nur eine Formsache zu sein schien, wurde bei den Demokraten hart um die parteiinterne Nominierung gerungen. Neben dem späteren Kandidaten der Demokraten, Joe Biden, machte vor allem ein Kandidat auf sich aufmerksam: Michael Bloomberg, seines Zeichens Milliardär, ehemaliger Bürgermeister von New York sowie zu dieser Zeit stolze 78 Jahre alt.
Doch gerade seine digitale Kampagne stellte sich dabei in der Retrospektive als die innovativste und kreativste im gesamten Bewerberfeld heraus. Während die anderen Kandidaten auf klassische Art und Weise primär über ihre eigenen Kanäle mit Botschaften für sich warben, setzte das Team von Bloomberg stark auf selbstironische Memes auf reichweitenstarken Instagram-Kanälen.
Bloomberg platzierte sich dabei auf sehr reichweitenstarken Memeseiten wie beispielsweise bei „grapejuiceboys“ (vgl. Abb. 1) oder „kalesalad“ mit jeweils mehr als 3 Millionen Followern. Bezeichnend war dabei vor allem, dass nicht versucht wurde eine politische Botschaft oder Vision in die Community zu tragen, sondern es einzig und alleine um Awareness und Positionierung von der Person Michael Bloomberg ging. Gerade dies kann als Erfolgsfaktor der Kampagne gesehen werden: Oft wird in der politischen Kommunikation versucht, ein Konstrukt zu erstellen, um eine politische Botschaft in der Zielgruppe zu platzieren. Dies wirkt oft nicht authentisch.
Als Muster der Kooperationen zeichnete sich vor allem ab, dass die vermeintlichen Schwächen und Angriffspunkte der Person Michael Bloomberg aufgegriffen wurden, um diese zu entkräften bzw. positiv zu besetzen. Konkret sollte hier sein Malus des hohen Alters, der „Steifheit“ des Politikers sowie das Image des Milliardärs auf humoristische Art und Weise für jüngere Zielgruppen aufgearbeitet werden. Auch verstand es die Kampagne von Bloomberg gut, die Tonalität der Zielgruppe sowie der „Meme-Szene“ im Allgemeinen zu treffen. Zwar tauchte Trump bereits bei der Wahl 2016 immer wieder bei Influencern oder Meme-Seiten auf, jedoch gestaltete sich hier die Kooperation als eher unkoordiniert. Nachdem Influencer sich öffentlich für Trump positionierten, wurde dies von der Trump-Kampagne im Nachgang aufgegriffen. Bloomberg hingegen war der erste Kandidat, der auf ein strukturiertes Influencer-Marketing mit klassischen Mechanismen setzte.
2. Politiker als Influencer
Es muss festgehalten werden, dass sich die politische Kommunikation immer stärker auf die eigenen Kanäle der Politiker fokussiert. Dies hat vor allem den Vorteil, eigene Reichweiten aufzubauen und damit den immer noch sehr starken Gatekeeper-Effekt der klassischen Medien umgehen zu können. Während in Deutschland die politische Kommunikation via Instagram und Co. oft noch als reiner Selbstzweck verstanden wird, gestaltet sich die Branche in den USA professioneller. Dort wird bereits verstanden, den Politiker als Marke mit eigenen Botschaften, Elementen und Signalen zu positionieren. In diesem Kontext gilt es vor allem die Demokratische Abgeordnete des Repräsentantenhauses, Alexandria Ocasio-Cortez – kurz AOC – zu benennen. AOC versteht wohl wie keine zweite in der Politik, sich selbst als Marke zu positionieren. Begründet aus ihrer Lebensgeschichte steht sie vor allem für die Gleichberechtigung von Minderheiten sowie für das Thema der sozialen Gerechtigkeit ein. Durch die geschickte Kommunikation jener grenzt sie sich vom politischen „Establishment“ ab und positioniert sich als die „Kämpferin“ für Gerechtigkeit. So bietet sie vielen Menschen, welche sich sozial vom Staat alleine gelassen fühlen, eine Stimme. Zudem geht sie auf ungewöhnlichen Plattformen auf Sympathiefang: Auf ihrem Twitch-Kanal erreicht AOC mit einer Runde „Among us“ gut und gerne mehrere Millionen Aufrufe. Durch die, für Politiker, ungewöhnliche Kanalauswahl kann sie gerade junge Menschen für sich begeistern.
3. Mobilisierung mit Micro- und Nanoinfluencern
Während AOC noch ein paar Jahre bis zum ganzen großen Wurf zu haben scheint, ging es für Donald Trump 2020 um Alles: Ein wichtiger Baustein seiner Kampagne stellte dabei eine Micro- und Nanoinfluencer Kampagne dar. Die Vorteile der „kleinen“ Influencer liegen dabei auf der Hand: Durch das hohe Engagement und der Glaubwürdigkeit in der Followerschaft können gerade sie politische Botschaften glaubwürdig in ihre Zielgruppen kommunizieren. Gerade im Hinblick auf die hohe Polarisierung der beiden Lager im Wahlkampf war die Glaubwürdigkeit der Kommunikation von herausragender Wichtigkeit.
Hier geht es zum Download des Influencer Marketing Trendreports 2021
###Über den Autor Simon Mai ist selbstständiger Berater im Bereich der politischen Strategie und Kommunikation. Zuvor war er für mehrere Abgeordnete im Europaparlament und dem deutschen Bundestag tätig. Aktuell spezialisiert er sich im Rahmen eines Masterstudiengangs im Bereich der strategischen Markenführung.
*Dieser Beitrag ist im Rahmen des Influencer Marketing Trendreport 2021 entstanden.